Wenn die Depression mich in ihren Klauen hat, fällt mir Entspannen unheimlich schwer. Dann rappelt meine Birne, mein Herz droht zu zerspringen und mir fällt Stille schwer – noch schwerer als sonst. Aber wie kommt man zur Ruhe, die man so dringend braucht, und „zwingt“ den Körper, der unter Strom steht, locker zu lassen?
Als gute Möglichkeit hat sich für mich die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson erwiesen. Tatsächlich wird diese Entspannungsmethode auch im therapeutischen Rahmen genutzt, die Wirksamkeit bei psychischen Erkrankungen wie Angststörungen ist sogar wissenschaftlich belegt (weiß zumindest Wikipedia).
Das tolle an PMR (progressiver Muskelrelaxion), die der US-amerikanische Arzt Edmund Jacobson schon in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelte, ist, dass es dabei, obwohl es von außen ganz ruhig aussieht, keinen Leerlauf für den Kopf gibt. Schritt für Schritt spannt man verschiedene Muskelpartien des Körpers an und lässt die Muskeln dann ganz bewusst los. Man beginnt bei den Armen und arbeitet sich dann über Kopf und Körper zu den Beinen vor.
Warum PMR für mich besser funktioniert als andere Entspannungsübungen?
1. Sowohl der Geist als auch der Körper sind in der Übung die ganze Zeit „beschäftigt“ – das hilft mir sehr, nicht in Grübelschleifen zu rutschen. Bei anderen Körperreisen oder Meditationsübungen, bei denen man nur in Körperteile reinspürt oder durch einen imaginären Wald wandelt, wandert mein Geist viel schneller ab. Die „Anstrengung“ der Anspannung hilft mir beim fokussieren. Und während ich anspanne, kann ich nicht denken. Klingt komisch, ist aber so.
2. Ich kann die einzelnen Körperteile tatsächlich besser fühlen, wenn ich mit ihnen eine Handlung durchführe. Mir fällt es ehrlicherweise schwer, in meine Zehen zu spüren (oder noch schlimmer zu atmen). Meine Beinmuskeln anzuspannen, ist hingegen einfacher und dann hin ich ganz automatisch mit meiner Aufmerksamkeit beim Bein.
3. Der Wechsel aus Anspannung und aktiver Entspannung eines Muskels sorgt wohl tatsächlich für eine nachhaltige Entspannung desselbigen. Gerade bei Muskelpartien, die bei mir in der Krankheit dauerverspannt sind (Nacken und Schultern), hilft es mehr als der Versuch, die Muskeln „nur“ zu entspannen. Denn wie entspannt man etwas, was betonhart ist – oder einem vielleicht noch nicht mal als Muskel bewusst?
Wo und wie kann man PMR machen?
Man kann das Entspannungsverfahren in Kursen erlernen – das kam für mich wegen Kind und Corona aber nicht in Frage (keine Kurse und keine Zeit). Zum Glück gibt es im Netz unzählige Videos mit Anleitungen. Ich hab mir ein paar angehört und die Stimme ausgesucht, die ich am angenehmsten fand.
Von Lehrer zu Lehrer unterscheiden sich die Muskelgruppen, die Dauer der Übung und die Intensität der Anspannung. Ich hab das gewählt, was sich am besten für mich angefühlt hat. Dann ab auf die Couch oder auf die Yogamatte am Boden, zudecken (sonst wird es kalt) – und los.
Langfristig ist es wohl möglich, noch mehr Muskelgruppen zusammenzufassen und auch ohne Anleitung und überall (quasi heimlich beim Autofahren oder im Supermarkt an der Kasse) mit PMR zu entspannen. Soweit bin ich noch nicht und ich bin auch gar nicht sicher, ob das überhaupt mein Ziel ist.
Die halbe Stunde Auszeit, in der ich mich auf meinen Körper und meine Atmung konzentriere und nicht nachdenken muss, sondern von einer sonoren Stimme angeleitet werde, ist (wenn man Zeit und Ruhe hat) für mich perfekt.
Was hilft Euch beim runterkommen, wenn der Kopf rappelt?
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