Kann man eine Depression sehen?

Wenn wir in der Tagesklinik über das Thema sprechen, warum Depressionen in der Gesellschaft noch nicht akzeptiert, sondern stigmatisiert sind, heisst es immer: Depressionen sieht man nicht.

Das stimmt so nicht. Man hat zwar kein Gipsbein, keine Pflaster und auf Fremde oder Menschen, die einen nicht besonders gut kennen oder nur selten sehen, mag man zunächst ganz „normal“ wirken.

Doch je näher man einer erkrankten Person steht, desto eher sieht man die Krankheit auch optisch. Und der Blick in den Spiegel für einen selbst ist mehr als grausam-entlarvend.

Typische körperliche und oder sichtbare Symptome der Depression sind zum Beispiel:

… Massiver Gewichtsverlust, der aber nicht nach gesundem Sport und Diät aussieht.

… Eine gebückte Körperhaltung, dauerangespannte, nach vorne gezogene Schultern.

… Ein versteinerter Gesichtsausdruck, ohne Lachen und oft auch ohne andere nennenswerte Emotionen.

…Kleine, müde Augen, die das Gegenteil von strahlend sind.

…Unkonzentrierter Blick, die Unfähigkeit, andern in die Augen zu sehen.

… Augenringe, fahle Haut, Pickel.

… Haarausfall, ausgewachsene Haarfarben und ein ausgewachsener Haarschnitt.

Dazu kommt im schlimmsten Fall die Unfähigkeit, sich zurechtzumachen, zu duschen und auf sein Äußeres zu achten (ich konnte zum Glück immer noch duschen und frische Klamotten anziehen, aber es gibt Ausprägungen der Krankheit, wo auch das nicht mehr möglich ist).

In einer akuten Depression wirkt der Mensch oft versteinert, ohne Funken und Strahlen, sondern müde, krank und abwesend.

Der Verkäufer, der einen nicht kennt, sieht das nicht, weil er den Vergleich nicht hat. Der Kollege, der einen nur oberflächlich und im Moment eh eher per Videochat sieht, bemerkt es möglicherweise auch nicht.

Aber ich konnte meinen eigenen Anblick oft kaum ertragen, wenn ich mich zufälligerweise irgendwo gespiegelt habe…