Ich hab die letzten Tage versucht, mich abzulenken, mein Kopfkino auszuknipsen und meiner Angst kein Futter zu geben – was mal mehr und mal weniger gut funktioniert hat. Ich hab den Tag abwechselnd herbeigesehnt und gehofft, dass die Zeit langsamer verläuft – genutzt hat es alles nichts. Heute war Tag 1 in der Tagesklinik und ich hab mich gefühlt wie am ersten Schultag.
Neue Patienten, Ärzte, Pfleger, Therapeuten, Räume, Abläufe und Strukturen. So viel neues in geballter Form hatte ich das letzte Mal, als ich vor 10 Jahren meinen aktuellen Job angefangen habe. Für jemanden, der im Moment viel mit Angst zu tun hat, ne echte Herausforderung. Um die Pointe direkt vorwegzunehmen: Es war kein bisschen schlimm – im Gegenteil, alle waren wirklich sehr, sehr nett und haben sich bemüht, uns den Start so einfach wie möglich zu machen. Zudem haben heute insgesamt nur drei Patienten angefangen (mich eingeschlossen), sodass sich die Zahl der neuen Gesichter dann doch in Grenzen gehalten hat. Und die beiden machen auch einen netten Eindruck.
Aber was passiert an so einem ersten Tag? Zunächst einmal wurden wir im Krankenhaus aufgenommen. Auch wenn wir jeden Abend nach Hause gehen, sind wir trotzdem teilstationär und damit formal genauso gestellt wie Krankenhauspatienten. Frühstück und Abendessen essen wir zu Hause, das Mittagessen ist typische Krankenhauskost.
Und dann ist der erste Tag hauptsächlich dazu da, alles und alle kennenzulernen – und zwar in beide Richtungen. Das heißt, wir lernen das Personal kennen, aber diese lernen auch wiederum uns und unsere individuelle Geschichte kennen.
Im Laufe des Tages habe ich ein längeres Gespräch mit einer Pflegerin, der ich meine Krankengeschichte, die Symptome meiner Depression, Erwartungen an die Klinik und weiteres schildere. Dann lerne ich die für mich zuständige Psychologin kennen und werde von einer Oberärztin körperlich untersucht. Beide stellen mir ähnliche Fragen, jedoch immer mit etwas anderen Schwerpunkten. Ich erhalte meinen „Stundenplan“, in denen viele „Blöcke“ mit Namen auftauchen, unter denen ich mir heute noch nichts vorstellen kann. Psychoedukation zum Beispiel oder Dramatherapie. Der Wochenplan enthält überraschend viel Leerlauf, der aber, so bekommen wir gesagt, mit zum Therapiekonzept gehört.
Super positiv ist, dass wir immer wieder aufgefordert werden, Fragen zu stellen oder zu sagen, wenn uns etwas stört oder irritiert.
Es gibt ein paar – harmlose – Regeln zu beachten, die zum Teil Corona, zum Teil der Tagesklinik selbst zuzuordnen sind. Man muss zum Beispiel immer Maske tragen und jeden Morgen zum Screening. Dass man sich im Gebäude nicht frei bewegen kann und in den „Freistunden“ nicht alleine draußen spazieren gehen darf, hat wiederum nichts mit Corona, sondern mit der Tagesklinik selbst zu tun.
Wie genau vieles funktioniert, werden wir erst im Laufe der nächsten Wochen erfahren. Der Klinikbetrieb fängt mit uns als erste Gruppe an, die Klinik wird gerade erst aufgebaut. Hier und da ist bei den Abläufen noch etwas Sand im Getriebe, wofür sich aber alle immer wieder entschuldigen (und für das schlechte Essen, aber wir haben ja keinen Aufenthalt im Ritz gebucht). Ich fühle mich gut aufgehoben und willkommen. Und das ist schon ziemlich gut für einen allerersten Tag…
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