Egal ob Selbsthilfe-Versuche, Therapie oder Online-Depressions-App: Früher oder später rückt ein kleines, scheinbar nicht besonders bedeutendes Gefühl in den Mittelpunkt – und zwar die Dankbarkeit. Klar, Danke und Bitte versuchen wir schon unserer Tochter beizubringen, und als guterzogener Mensch benutze ich die Worte ganz automatisch – aber das Gefühl wirklich bewusst wahrnehmen? Das mach ich ehrlicherweise im normalen Alltag nicht. 

Bereits vor einigen Jahren habe ich mal an einem Online-Dankbarkeitstraining teilgenommen, von dem ich in der Zeitung gelesen hatte. Damals hatte es mir echt gut getan, ich habs aber dann irgendwann nicht mehr weiter verfolgt. Als es anfing, mir schlechter zu gehen, hab ich mir eine kostenfreie Dankbarkeit-App heruntergeladen und angefangen, jeden Abend Dinge aufzuschreiben, für die ich dankbar bin. Das können Kleinigkeiten sein, wie ein Sonnenstrahl der durchs Fenster fällt, ein Eis, was ich mir gegönnt habe, oder ein gutes Gespräch. 

Die Beschäftigung mit Dankbarkeit hat gleich mehrere Funktionen:

  1. Blickt man abends noch einmal auf den Tag zurück und stellt fest, dass es trotz der Depression/der Krise gute und schöne Dinge gegeben hat – und seien sie noch so klein gewesen. Das zu sehen fällt einem in der Depression nämlich nicht leicht. 
  2. Beendet man den Tag mit einem guten Gefühl. Jeder gute Gedanke nimmt den Platz ein, den sonst vielleicht ein besorgter/trauriger Gedanke eingenommen hätte. 
  3. Ist es wissenschaftlich sogar erwiesen, dass das Gefühl von Dankbarkeit gesundheitsfördernd ist und gegen psychische Erkrankungen hilft. 

Auch in der Tagesklinik wird das Thema Dankbarkeit behandelt, als Hausaufgaben sollten wir eine Liste mit acht Dingen anlegen, für die wir dankbar sind. Wenn man mitten in der Krise steckt, kommen einem solche Übungen sinnlos und blöd vor. Ich hab manches Mal abends meine App-Liste vervollständigt, aber das Gefühl nicht wirklich gespürt. 

Doch Gefühle und Gewohnheiten sind wie Muskeln, sie müssen trainiert werden (eine Weisheit aus der Tagesklinik). Vielleicht fühlt es sich am Anfang merkwürdig an und der Nutzen ist einem nicht sofort klar. Aber es ist eine Art Handwerkszeug, was einem in dunklen Stunden helfen kann, die Welt ein kleines bisschen weniger dunkel zu sehen. Und das Augenmerk auf die guten Dinge zu richten, für die man auf dem depressiven Auge blind ist. 

Und wie eigentlich fast immer, höhlt stetiger Tropfen den Stein. Das heisst, je öfter man es macht, desto deutlicher verspürt man die Änderung… 

PS: Eine andere „einfache“ Übung aus der Tagesklinik: Sich selbst jeden Morgen schmissig im Spiegel begrüßen. Auch sowas, wo man sich erstmal doof fühlt, das aber hoffentlich langfristig zu einem liebevolleren Umgang mit sich selbst führt…

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