Meine bisherige Therapieerfahrung beschränkte sich vor der Tagesklinik ausschließlich auf Gesprächstherapie mit einem Therapeuten. In der Klinik hingegen finden fast alle Gespräche in Gruppen statt, zusätzlich werden sogenannte Kreativ-Therapien angeboten. Diesen Angeboten (Musik, Drama, Körper und später auch Kunst) habe ich zunächst mit Skepsis entgegengesehen. Als rational denkender Mensch kann ich verstehen, dass man über Gefühle spricht. Was aber – im Falle der Musiktherapie – Klanghölzchen, Bongotrommeln und Glockenspiel mit unseren Seelenleben zu tun haben (und vor allem der Linderung von Depressionen), war mir nicht ganz einleuchtend. Um ehrlich zu sein, ist es mir das bis heute nicht. 

Und trotzdem bin ich jede Woche aufs neue überrascht, wie mühelos und trotzdem zielstrebig wir vom „rumklimpern“ auf ernste Gesprächsinhalte kommen und wir angenehm und kurzweilig die Musiktherapie ist. 

Aber was passiert eigentlich genau in so einer Stunde? 

Ganz am Anfang hat uns der Musiktherapeut (der weder ausgebildeter Musiker noch Therapeut, sondern tatsächlich studierter Musiktherapeut ist), die unterschiedlichen Instrumente gezeigt. Neben den oben genannten Klassikern gibt es noch jede Menge Zeugs, was ich noch nie gesehen oder gehört habe. In der Musiktherapie geht es nicht darum, ein Instrument zu lernen oder zielgerichtet Melodien oder Lieder zu fabrizieren, sondern ganz viel um Improvisation und ausprobieren. 

Das Setting ist immer ein bisschen anders. Manchmal darf sich jeder ein Instrument schnappen, manchmal teilt ein Patient den anderen ein Instrument zu. Manchmal gibt einer einen Rhythmus vor, manchmal spielen einfach alle so drauf los. 

Das Ergebnis ist gelegentlich chaotisch und kopfschmerzig, ein andermal überraschend harmonisch und schön anzuhören. Alles kann, nichts muss, wie ein alter Chef von mir zu sagen pflegte… 

Anschließend reden wir darüber, wie es sich angefühlt hat, was einem dazu einfällt, vielleicht warum wir uns für ein Instrument oder einen Rhythmus entschieden haben. Manchmal wirkt es zunächst ein bisschen bemüht, aber tatsächlich lernt man ne Menge über Verhaltensmuster, Charaktereigenschaften und ähnliches. Während die eine gut Aufgaben und Instrumente verteilen kann, fährt es jemandem anderes schwer, von den anderen gehört zu werden und den Ton anzugeben. 

Die chaotischen Interpretationen erinnern an das Chaos im Kopf, das wir alle gerne leiser stellen wollen. Anders als im echten Leben können wir das ganze aber durch ein Klatschen beenden – was bei einer Depression echt megapraktisch wäre…Und nicht zuletzt erzähle ich nebenbei von meiner Klangschale und meiner Reise nach Nepal und werde dazu ermutigt, diese auch zu Hause mal aus dem Regal zu nehmen. Dort ist sie nämlich bisher nur ein grosser, mehr oder weniger dekorativer Staubfänger, was eine echte Verschwendung ist. 

Die Musiktherapie macht mir tatsächlich mehr Spass, als ich ursprünglich gedacht habe. Allerdings ist Musik für mich nach wie vor kein Medium, um meine Gefühle auszudrücken. Aber vielleicht geht es darum auch gar nicht so wirklich. Ich muss ja keine traurige Musik produzieren, wenn ich traurig bin. Vielleicht geht es auch darum, eigene Ressourcen wiederzuentdecken – oder wie in meinem Fall die eingestaubte Klangschale… 

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