Ein großes Problem bei einer depressiven Erkrankung sind verzerrte Gedanken.

Dinge, die im „gesunden“ Alltag keinen Gedanken wert sind, werden plötzlich riesengroß. Kleinigkeiten, die man sonst mit Links erledigt, werden plötzlich zu riesigen Hürden.

Eine Mitpatientin erzählte, dass sie Freunde zum Waffelessen eingeladen hatte und vorher nur noch dachte: „Oh Gott, Waffelteig!“ Niemand, der nicht schon mal an einer Depression gelitten hat, kann die Dringlichkeit und Verzweiflung hinter diesem Ausruf verstehen.

Normalerweise schieße ich Waffelteig quasi aus der Hüfte, habe eine Bollo auf dem Herd, während ich mit dem Kind spiele oder suche abends im Bett Gebursttagsgeschenke, während meine Tochter eindöst.

Die normale Konstanze ist relativ gut im Multitasking, kein schneller Entscheider, aber jemand, der gut recherchieren kann und gutes Essen und selbstgebackene Kekse und Waffeln heimelig findet (und auch ganz gerne kocht und backt).

 

Mit der Last der Depression auf der Brust und in den Knochen gehen all diese Fähigkeiten und Vorlieben verloren (ich weiss zwar vielleicht noch, dass ich das mal konnte/mochte/genossen hab, kann mir das Gefühl aber beim besten Willen nicht mehr vorstellen).

Stattdessen erscheint die Hürde, einfachste Dinge zu erledigen, riesig hoch.

Der Ausruf „Oh Gott, Waffelteig“ kann im Grunde beliebig erweitert werden um alles, was „einfach mal so“ erledigt werden sollte. Oh Gott, Wäsche! Oh Gott, Kind aus der Kita holen! Oh Gott, Brötchen kaufen!

Das Absurde an dieser Form von verzerrten/unrealistischen Gedanken ist, dass sie wie eine Wand wirken – und nicht weitergedacht werden.

Es gibt – zumindest bei mir – keine konkrete Angst, was dann genau passieren könnte. Keine Horrorbilder, was schief gehen könnte, sondern einfach eine riesige, unüberwindbare Mauer.

Würde man weiterdenken – was man in der Therapie auch lernt – so könnte man feststellen, dass es keinen Grund gibt, Angst zu haben. Oder dass, selbst wenn etwas schief geht, die Welt davon nicht untergeht.

Doch in meinem Kopf existiert in solchen Momenten nur Schwarz oder Weiss – Alles oder Nichts.

Und wenn ich versuche, über den Tellerrand bzw. die Mauerkrone zu schielen, dann neige ich zum Katastrophisieren. Ich male mir schlimme „was wäre wenn“-Bilder aus, gehe grundsätzlich davon aus, dass alles schlecht oder schlechter wird, und misstraue grundsätzlich dem Leben.

Auch die gesunde Konstanze ist nicht unbedingt ein Optimist, aber sie hat die düsteren Vorahnungen deutlich besser im Griff. Und sie weiss, dass Angst kein guter Ratgeber ist. Das war sie noch nie und bisher bin ich eigentlich immer gut damit gefahren, mich trotzdem zu trauen. Denn das Leben hat es bisher tatsächlich überwiegend gut mit mir gemeint. Nur das sehe ich nicht, wenn ich mich gerade auf der anderen Seite befinde.

Und selbst wenn ich es sehe, kann ich es nicht spüren.

Denn leider haben die verzerrten Gedanken eine unglaubliche Überzeugungskraft, während die realitätsnahen Gedanken im Vergleich farblos und wenig überzeugend wirken. Eigentlich schade, denn die realistischen sind alles in allem deutlich netter…

 

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