Wenn man Ende November ein halbes dutzend Menschen mit Depressionen und /oder Angststörung zusammenpackt, ist Weihnachten so ziemlich das letzte, woran sie denken wollen.

Tatsächlich hatte ich, als die Krankheit im Sommer losging, Weihnachten immer als Lichtjahre entfernte Landmarke im Kopf, an der es mir doch bitte schön wieder gut zu gehen hatte. Je weiter das Jahr voranschritt, desto mehr musste ich mir eingestehen, dass ich Weihnachten noch nicht wieder gesund sein würde.

Am liebsten hätte ich also, und ich denke, da ging es meinen Mitpatientinnen zum größten Teil ähnlich, Weihnachten einfach  ausfallen lassen. Was interessiert einen Weihnachten, wenn das Leben gerade eine ziemliche Katastrophe ist?

Allerdings hat die Crew der Tagesklinik nicht zugelassen, dass wir Weihnachten ignorieren.

Wir bekamen die Gruppenaufgabe (und ein winziges Budget), um den Aufenthaltsraum weihnachtlich zu schmücken und eine Weihnachtsfeier zu organisieren.

Gruppenaufgaben (oder Dienste wie Blumengießen, Tisch abwischen, kochen, wenn das in der jeweiligen Tagesklinik geht) sind wohl ganz typisch, um die Patienten wieder an kleine Verpflichtungen zu gewöhnen und kleine Erfolgserlebnisse zu schaffen.

Allerdings gab es, was Weihnachten angeht, ein paar Hürden zu nehmen. Offenes Feuer ist in der Klinik genauso verboten wie Dinge mit Stecker (Lichterketten, CD-Spieler zum Beispiel), aufgrund von Corona durfte auch niemand einen Kuchen backen oder Plätzchen mitbringen. Süßigkeiten wären wenn nur einzeln verschweißt möglich gewesen, Alkohol für Glühwein war natürlich tabu, singen und alles was sonst so anfiel irgendwie auch. Ne klassische Weihnachtsfeier war also ebenso unmöglich, wie die meisten üblichen Deko-Ideen. Um ehrlich zu sein, hat die Aufgabe mich zunehmend genervt, weil ich dachte, was soll der Quatsch, wenn wir eh nicht dürfen…

Zum Glück haben sich zwei Mitpatientinnen schwerpunktmässig dem Thema Deko angenommen und gefühlte Tonnen Weihnachtsschmuck und Bastelkram aus ihrem Keller mitgebracht. Vom Deko-Budget haben wir einen kleinen Weihnachtsbaum und LED-Lichterketten mit Batterie gekauft, zur Weihnachtsfeier haben schließlich ein paar Leute Kinderpunsch, Mini-Schokoladen und ich Weihnachtstwix mitgebracht. Der einzige echte Programmpunkt, ausser Weihnachtslieder hören und ein Weihnachtsrätsel lösen, das eine Pflegerin mitgebracht hatte, war schließlich „Schrottwichteln“ mit Würfeln. Das sich als überraschend lustig und vor allem zeitintensiv erwiesen. Damit es corona-konform war, hatte jeder seinen eigenen Würfel und wir haben Handschuhe getragen. Je nach Würfelzahl wurden die Päckchen links- oder rechtsrum weitergegeben, getauscht und peu a peu ausgepackt. Aus therapeutischer Sicht war das ein ziemlich guter Zeitvertreib, weil wir gelacht und gerätselt, Päckchen hin- und hergegeben und ziemlich viel Spass dabei hatten. Zum Glück konnte ich das Geschenk, was am Ende bei mir gelandet ist – ein merkwürdiger Flaschenöffner – einem Pflegeschüler schenken, der ihn irgendwie cool fand.

Auch jenseits von Weihnachtsfeier und Deko wurde Weihnachten in der Klinik immer wieder thematisiert. Wohl weil die Weihnachtszeit durchaus emotional anstrengend sein und zu psychischen Krisen führen kann. Familienstress oder Einsamkeit, Corona-Auflagen, unverplante Zeit und Therapie-Pause können für Patienten mit unserem Krankheitsbild durchaus kritisch sein.

Wir hatten deshalb direkt mehrfach Gespräche zum Thema Weihnachtszeit und sollten uns bereits im Vorfeld überlegen, wie wir den Tagen Struktur geben. Zusätzlich findet am 26. Dezember (einem Samstag) eine Visite mit Anwesenheitspflicht statt, um uns in den vier Tagen einen Ankerpunkt zu geben.

Um ehrlich zu sein, hatte ich tatsächlich im Vorfeld Sorge, wie sich die 4 Tage anfühlen, in denen ich fast ausschließlich mit Mann und Kind abhänge. In den dunkelsten Stunden war „abhängen ohne Beschäftigung“ so ziemlich das allerschlimmste für mich…

Lange nicht ganz klar war zudem, wie und wann ich wen aus meiner Familie sehe. Ich hatte, seit die Krankheit im Sommer über mir zusammengeklappt ist, niemanden aus meiner Familie mehr gesehen. Die Corona-Auflagen machten zudem klar, dass dieses Fest in jedem Fall anders werden würde als in den letzten Jahren.

Letztendlich war meine Angst dann doch unbegründet. Weihnachten hat sich, auch nach dem bescheidenen Jahr und obwohl ich meine Geschwister gar nicht gesehen habe, trotzdem weihnachtlich angefühlt. Ein kleines Kind, was sich mit strahlenden Augen und glühender Begeisterung über Kekse und Geschenke hermacht und immer wieder erzählt, dass der Weihnachtsmann bei Oma und Opa einen Sack mit Geschenken verloren hat, ist halt doch ziemlich weihnachtlich und schön…

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