Das letzte Mal, dass ich Hausaufgaben aufhatte, ist mehr als die Hälfte meines Lebens her – genauer gesagt 21 Jahre. Aber hier in der Tagesklinik kriegen wir immer wieder kleinere oder größere Aufgaben gestellt, deren Erfüllung auch tatsächlich (nicht immer, aber in den meisten Fällen) abgefragt werden. Für meinen Freund wäre das sicher eine von vielen Regeln/Vorgaben, die er blöd fände, weil er sich wie ein Kind behandelt fühlen würde (er meint ohnehin, er hielte den Klinikalltag höchstens ein paar Tage durch). Aber er braucht ja auch keine Hilfe im Umgang mit einer Krankheit, die ihm alleine über den Kopf gewachsen ist.

Ich finde es hingegen toll, nachmittags auch noch was aktiv für meine Genesung tun zu können. Zudem prasselt hier soviel auf einen ein, dass man abends oft nicht weiss, worum sich die Gespräche tagsüber gedreht haben. Die Hausaufgaben lenken nochmal den Blick auf verschiedene Themen.  Ausserdem fand ich frühe Hausaufgaben auch eigentlich ganz ok (ich stand als Schülerin nie mit ihnen auf Kriegsfuß).

Und, was das wichtigste ist: die Hausaufgaben haben eigentlich immer Dinge zum Inhalt, die uns unmittelbar gut tun – und die man als Depressiver vielleicht nicht so gut auf die Kette kriegt. Es ist was anderes, das in der Theorie (also morgens in der Gruppe) zu hören, als es tatsächlich als konkrete Aufgabe zu bekommen. Dinge, die man in der Gruppe hört, findet man zwar vielleicht auch überzeugend, aber daraus resultiert nicht automatisch eine Veränderung des Verhaltens (wenn das so einfach wäre, wären wir alle nicht hier). Dabei helfen die Hausaufgaben, die oft auch für jeden individuell formuliert werden. In den allermeisten Fällen müssen wir sie sogar selbst formulieren.

Hausaufgaben der letzten Tage für mich waren zum Beispiel: Iss ein grosses Eis, denk drüber nach, wie du die freie Zeit an Weihnachten verbringen willst, überleg, wie du dein Verhältnis zur Arbeit ändern kannst, versuch dich wegen der Medikamente nicht verrückt zu machen, schau, was dir an den Wochenenden gut tut.

Natürlich wäre es toll, wenn ich mein Leben einfach erfüllt, glücklich, gut gelaunt, spontan, und-was-weiss-ich-nicht-noch führen könnte, ohne dass es mir jemand als Aufgabe gibt.

Aber bis es soweit ist, nehme ich die Hausaufgaben dankbar an.

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