Die ersten „echte“ Woche – also von Montag bis Freitag – hat begonnen. Merkwürdigerweise fühlt es sich an, als wären wir schon viel länger hier, als nur die zwei Tage letzte Woche. Die Mitpatientinnen fühlen sich vertraut an, die Abläufe sind klarer, im Verhältnis zu den drei neuen Patienten der anderen Gruppe sind wir alte Hasen – zumindest wissen wir, wann das Mittagessen serviert wird.

Nachdem sich die erste Aufregung der ersten Tage gelegt hat, taucht etwas anderes auf, an das ich mich erst noch gewöhnen muss. Und zwar Langeweile. Natürlich ist es nicht ständig langweilig, die Gruppengespräche sind sehr interessant, die Gespräche mit meinen Mitpatientinnen auch – und hin und wieder ist man tatsächlich auch sehr froh um eine Quatschpause. Während es an manchen Tagen aber laut Plan Schlag auf Schlag geht, gibt es andere Tage, an denen das Programm überschaubar ist. Und genau das ist für mich eine große Herausforderung. Ich bin schon ohne Depression kein Mensch, der gerne einfach Zeit verbummelt, mit Depression ist das manchmal kaum auszuhalten. In den letzten Monaten hab ich bei Leerlauf immer versucht in Bewegung zu bleiben. Durch Laufen, Yoga, Entspannung und und und. Ich konnte und wollte nicht hinhören, wenn es um mich herum still wurde…wie ein Duracellhäschen hab ich einfach immer weitergemacht.

Und jetzt sitze ich im Gruppenraum. Laufen gehen kann ich wohl kaum, Spazierengehen sollen wir alleine auch nicht, alle Mitpatienten sind in Therapie. Und ich? Ich warte.

Und tatsächlich passiert erstmal nichts – außer dass mein Rauschen im Kopf lauter wird. Irgendeine Stimme in mir ist ungeduldig, weil ich für 3 Stunden Therapie 8 Stunden hier bin. Am liebsten hätte ich viel Therapie, damit es viel und schnell hilft – und ich keine Gelegenheit habe, auf mich selbst zu hören. Aber genau darum geht es vermutlich auch bei den Pausen. Dass man zur Ruhe kommt. Dass man mal nicht quatscht. Dass man die Maske mal fallen lässt und einfach müde ist. Dass man lernt, mit sich allein zu sein und die Situation aushält, ohne to-dos abzuarbeiten. Ganz davon abgesehen, dass 8 Stunden am Stück reden, erzählen, weinen oder anderen beim weinen zusehen, unangenehme Dinge benennen und die Hosen runterzulassen, gar nicht möglich wären.

Ich fühle mich müde. Eine Müdigkeit, die ich nicht gespürt hab, solange ich sozial eingebunden war und die mich erst erfasst, als alle anderen den Raum verlassen haben. Reflexartig denke ich, dass es besser ist, wenn die anderen hier sind, weil ich dann nicht müde bin. Aber vielleicht spüre ich die Müdigkeit auch nur nicht, weil ich dagegen anlärme. Vielleicht ist sie dann ja trotzdem da und saugt an meiner Energie, weil ich dagegen  ankämpfe. Und vielleicht ist es einfach an der Zeit, mal loszulassen und auszuruhen….

 

 

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